Weihnachtsgeschichte 2013: Teil 1
Onkel Günter kommt
Nie brachte er etwas mit, die Kinder waren für ihn Luft, und er hatte ein lautes und herrisches Wesen. Man musste artig am Tisch sitzen, und seinen belehrenden Ausführungen folgen.
Genau so kam es auch wieder. Als Christian sich unter einem Vorwand vom Tisch entfernen wollte, wandte sich der Onkel jedoch unvermittelt an ihn: "Ich wollte gern einen Spaziergang mit dir machen".
"Was für eine gute Idee!" rief die Mutter sofort, und Christian musste wohl oder übel mit dem Onkel losziehen.
Onkel Günter wollte alle belebten Plätze des Wohngebiets sehen, und fragte seinen Neffen immer wieder nach Bushaltestellen, Freiflächen und Supermärkten. Christian kam aus dem Beschreiben gar nicht mehr heraus. Irgendwie genoss er es aber auch, dass endlich einmal er dem Onkel etwas erzählen konnte und dieser zuhören musste.
Allerdings konnte sich der Junge keinen Reim darauf machen, was Onkel Günter eigentlich bezweckte
"Hier kommen die meisten Leute vorbei", sagte Christian, als sie die kleine Parkanlage an der Hauptstraße erreichten, "da drüben ist die U-Bahn-Station, in den Nebenstraßen halten die Busse, und über die Wiese geht es am schnellsten zur Geschäftsstraße und ins Wohngebiet."
Erfreut betrachtete Onkel Günter die vielen Trampelpfade in der ramponierten Parkanlage.
"Was ist mit dem Holzhaus da?" fragte er.
"Das ist so eine Art Imbissbude", antworte Christian, "jetzt im Spätherbst ist da tote Hose, aber im Sommer stellt der Grill-Max seine Wiese total mit Tischen und Bänken voll."
Sie setzten sich an den einzigen verbliebenen Tisch vor dem Blockhaus, und der Onkel ließ seinen Blick zufrieden über die Wiese gleiten. Dann stand er auf und verschwand im Inneren des Hauses.
Wenig später kam die Frau vom Grill-Max heraus und stellte Christian einen großen Eisbecher auf den Tisch. "Schönen Gruß von deinem Onkel", sagte sie, "er hat noch eine Weile zu tun".
Christian war völlig perplex: Onkel Günter spendierte ihm ein Eis?! Er machte sich zügig darüber her, ehe es sich der Onkel womöglich anders überlegen würde.
Aber der kam in bester Stimmung wieder zurück an den Tisch. "Was wünschst Du Dir eigentlich zu Weihnachten?" fragte er. Christian blieb fast die letzte Erdbeere im Hals stecken. Niemals hatte ihn der Onkel so etwas gefragt.
"Ein neues Samsung-Smartphone" murmelte er leise, obwohl der Vater ihm diesen Wunsch schon abgeschlagen hatte.
"Soso", sagte Onkel Günter bedächtig und setzte eine geheimnisvolle Miene auf, "dann wollen wir mal sehen, ob wir etwas dafür tun können. Aber Du musst mir helfen!" Christian schlug impulsiv in seine ausgestreckte Hand ein.
"Nächsten Sonntag sehen wir weiter", sagte der Onkel nur noch, und Christian hatte eine unruhige Woche. Um was für ein Geheimnis ging es nur?
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